Die Rolle des CDOs in der Unternehmensleitung gewinnt an Bedeutung. Doch braucht man den CDO überhaupt, wenn CEO und CIO ihre jeweiligen Rollen wahrnehmen und gut zusammenarbeiten? Und falls ja, wie lange? Für Digitalisierung oder für Transformation?
Immer mehr Unternehmen haben einen CDO
Die Rolle des Chief Digital Officers ist aktuell sehr gefragt. Viele Unternehmen - gemäß Computerwoche gerade die großen - haben ihn schon, den CDO. Andere suchen ihn noch. Laut Quadriga sind die verfügbaren Kandidaten nicht nur rar, sondern sie kosten auch mehr als 250.000 EUR Jahresgehalt. Der Name suggeriert, dass er/sie die Digitalisierung des Unternehmens leiten wird. Aber ist das auch so?
McKinsey meint, nur wenn der CEO selbst das Zepter in die Hand nimmt, gelingt die Digitale Transformation. Und der CIO? Er und seine Organisation haben sich die letzten Jahrzehnte damit beschäftigt, wie man mit Informationstechnologie(n) das Unternehmen bestmöglich unterstützen/optimieren kann.
Lange Jahre wurde die IT-Organisation auf Kosteneffizienz getrimmt, wurde an der IT gespart. Jetzt endlich ist Digitalisierung in aller Munde. Nicht zuletzt, weil einige digitale Unternehmen mit ihren Plattformen gezeigt haben, dass es möglich ist, als Digital Business mit Platzhirschen in Konkurrenz zu treten und diese sogar aus dem Markt zu verdrängen. Wenn es also für CIOs (und ihre Organisationen) eine große Chance gibt, dann jetzt. Mein Beitrag "Was die Digitale Transformation für das IT-Management bedeutet" zeigt auf, dass nicht nur neue Chancen für die IT entstehen, sondern sich aus der wachsenden Verantwortung auch Handlungsdruck ableitet.
Stellen wir uns also vor, der CEO nimmt seine Führungsrolle für die digitale Unternehmenstransformation wahr. Und der CIO steht nicht nur Gewehr bei Fuß, sondern denkt vor und entwickelt Konzepte für die Digitalisierung des Unternehmens. Was macht dann der CDO?
Warum brauchen Unternehmen einen CDO?
Die "Digital Value 2018" Studie von Horvath & Partners zeigt, dass aktuell CEO und CIO die Digitale Transformation führen, der CDO aber stetig an Bedeutung gewinnt. Aber was genau ist seine Verantwortung, was sind konkret seine Aufgaben? Diese Fragen konnte ich mit einigen CIOs und anderen Entscheidern in den letzten zwei Jahren besprechen. Ausgangspunkt war zumeist, dass mir berichtet wurde, das Unternehmen habe jetzt auch einen CDO. Meine Fragen nach seinen Aufgaben und der Zusammenarbeit bzw. Schnittstelle zur IT wurden meist nur wage beantwortet: "Das wissen wir noch nicht. Er ist ja noch ganz neu." Anscheinend sehen einige Unternehmen im CDO einen Erfolgsfaktor, den man erst einmal haben muss, ohne zuvor die Aufgaben detailliert zu beschreiben.
Genug Raum also, um offen zu überlegen, was denn seine Aufgaben sein könnten, wie eine Zusammenarbeit aus Sicht der IT mit dem Group CDO am gewinnbringendsten ausgestaltet werden könnte. Mir zeigten sich Parallelen zu früheren Projekten, in denen es um E-Business-Strategien und das organisatorische Setup für eine erfolgreiche Umsetzung ging.
E-Business und Digitalisierung liegen nicht weit auseinander: Auch hier geht es um digitales Geschäft, um die Ausweitung von Vertriebskanälen, Umsatz- und Gewinnsteigerung. Eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Business ist notwendig, da die Prozessketten elektronisch/digital abgebildet werden. Insbesondere mit dem Vertrieb des Unternehmens muss Hand in Hand gearbeitet werden.
Für das E-Business sahen wir den Bedarf für einen verantwortlichen Senior Manager, der auf Augenhöhe mit Business Line Executives und Vertriebsvorstand agieren konnte, um die Strategie zum Erfolg zu bringen. Und der sich dediziert um dieses Themakümmerte. Die Notwendigkeit ergab sich daraus, dass der CIO nicht direkt an den Vorstand berichtete und persönlich keine freie Kapazität für diese Aufgabe hatte. Augenhöhe war hier nicht gegeben. Die Fokussierung auf das Thema nicht erfüllbar.
Beides erfüllen Unternehmen meist durch die Einrichtung einer CDO-Stelle: Sie implementieren die Stelle als Teil des Vorstands oder mit direktem Berichtsweg dorthin. Sie geben den CDOs den Freiraum, der notwendig ist, um an neuen Lösungen, neuen (digitalen) Geschäftsmodellen und - last but not least - neuen Nutzenversprechen für die Kunden zu arbeiten.
Erwartungen an CEO, CDO und CIO
Was sind aber die Erwartungen an das Dreigestirn aus CEO, CIO und CDO? Wie sieht die optimale Rollenverteilung aus? Ist es vernünftig, hier einen Blueprint zu entwickeln, oder hängt es von den Menschen und Unternehmen ab?
Allein die Abgrenzung der Aufgaben des CDOs von denen des CIOs ist mitunter kompliziert: Julian Kawohl, Professor für Strategisches Management an der HTW Berlin und Initiator der CDO-Studie, schließt "Ressourcen- und Zielkonflikte" zwischen CDO und CIO nicht aus. Vielleicht ist das der Grund, warum manche Unternehmen beide Rollen in einer Stelle implementieren.
In verschiedenen Workshops, die ich zu diesem Thema moderiert habe, ergab sich immer wieder: Die Verteilung der Aufgaben ist eine wichtige und interessante Fragestellung. Sie ist aber nicht das Wichtigste. Noch wichtiger sind folgende Einflussfaktoren für den Erfolg der digitalen Unternehmenstransformation:
- Die Unternehmensleitung hat eine gemeinsame Vision.
- Sie schafft Klarheit, zeigt eine Richtung auf.
- Das Führungsteam arbeitet auch wirklich als Team.
- Und, es besteht aus Persönlichkeiten, die sich zudem noch gut ergänzen.
Wenn nun bezüglich der Digitalisierung sowohl CEO, CIO als auch CDO beteiligt sind, wie sollten dann Rollen und Aufgaben zugeschnitten werden? Eine grobe Blaupause könnte wie folgt aussehen:
- Der CEO. Er ist der Visionär. Der, der vorne steht und seine Vision proklamiert. Steve Jobs ist hier ein Paradebeispiel.
- Der CDO. Er ist der Zukunftsforscher. Der ständige Innovator, der mit seinen Ideen das Unternehmen fordert und bewegt. Er hat tiefe Kenntnisse im Bereich von Geschäftsmodellen und -prozessen und einen hohen Fokus auf den Kundenutzen. Er leitet die Digitale Transformation.
- Der CIO. Der CIO ist der Technologe. Er bewertet neue Technologien und entwickelt Lösungsvorschläge, wie der Einsatz dieser Technologien zum geschäftlichen Nutzen beiträgt. Gleichzeitig steht er in der operativen Verantwortung für den Betrieb der Systeme, für die Stabilität der (digitalisierten) Geschäftsprozesse.
Nach der Transformation ist vor der Transformation
Die Rolle des CDOs ist durch das Thema der Digitalen Transformation entstanden. Wie oben beschrieben, spielt er in der Transformation meist eine zentrale Rolle. Was aber, wenn ein Unternehmen vollständig digitalisiert ist? Wird der CDO dann noch benötigt, oder handelt es sich beim CDO um eine eher temporäre Rolle in der Unternehmensleitung?
Die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin hat die CDOs der DAX-Unternehmen hierzu befragt. Hierbei hat sich eine knappe Mehrheit dafür ausgesprochen, dass die Rolle des CDOs eine temporäre Rolle sei. Doch was, wenn die Digitale Transformation eines Unternehmens abgeschlossen ist?
Gehen wir einmal davon aus, dass ein sogenannter "Steady State"-Zustand eintritt. Dass das neue Geschäftsmodell und die digitalisierten Prozesse nicht weiter transformiert, sondern evolutionär weiterentwickelt werden: Dann ist es sicher die Aufgabe des Chief Operating Officers (COO), diese Evolution voranzutreiben. Er würde wie bei einem Projektabschluss die Prozesse in die Linie übernehmen und im Sinne von Operational Excellence weiter optimieren.
Doch kann die digitale Unternehmenstransformation in einem absehbaren Zeitraum abgeschlossen werden? Ja und nein. Ein Transformationsprogramm mit festem Ziel und vordefiniertem zeitlichen Rahmen kann abgeschlossen werden. Die Ergebnisse können auch "in die Linie" (an den COO?) übergeben werden. Aber wir leben in einer Zeit von immer kürzeren Veränderungszyklen, von immer mehr Veränderungen in kürzerer Zeit. Daher ist davon auszugehen, dass am Ende eines Transformationsprogrammes bereits das nächste Programm ansteht. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!
Ein CDO, der es geschafft hat, weitreichende Veränderungen im Unternehmen erfolgreich umzusetzen, ist dann prädestiniert, auch die weiteren Veränderungen des Unternehmens zu gestalten. Vielleicht dann in der Rolle eines Chief Change Officers oder besser: eines Chief Transformation Officers. Hätte man sich bei der Namensgebung gleich für "Transformation" statt "Digital" entschieden, wäre die Rollenverteilung und Abgrenzung zum CIO einfacher und die Beständigkeit der Rolle weniger umstritten.
Fazit
Der CDO als Heilsbringer und eierlegende Wollmilchsau birgt Gefahren - insbesondere das Risiko, ihm zu viel aufzubürden. Ihm all die Aufgaben zu geben, die die Unternehmensleitung bislang nicht angegangen ist oder nicht lösen konnte. Entscheiden sich Unternehmen für diese weitere Rolle, so kann durch eine gut gewählte Aufgabenverteilung ein gewinnbringendes Team entstehen - mit dem CDO als Treiber der Digitalen Transformation. Langfristig wird das Digitale Geschäft - denn nur noch dieses wird es geben - operativ vom COO verantwortet. Was aus der Rolle des CDOs wird, wird sich noch zeigen. Benötigt wird seine Kompetenz langfristig voraussichtlich eher für Transformationen, d. h. als Chief Transformation Officer, denn als CDO.